Schwierige Changeprozesse adé oder: Wenn das Feigenblatt in der Unternehmens-DNA fällt

von Claudia Stadler

Change-Müdigkeit adé oder: Wenn das Feigenblatt des unbewussten Vertuschens fallen darf.....

Dass Transformationsprozesse in Unternehmens stocken oder scheitern, ist leider Realität.
Gross ist oft die Euphorie nach einem Managementwechsel, einer neuen Strategieausrichtung und langen, intensiven Führungskräfterunden in diversen Formaten. Stabsstellen wie Kommunikation und HR stehen parat mit wohlklingenden Namen für den Kick-off von Ziel- und Strategieprozessen, flankiert von Hochglanzbroschüren und Incentive Events, Roadmaps für den internationalen Rollout sind gezeichnet und neue Stellen werden geschaffen.
Die Realität in der Umsetzung sieht oft anders aus: Groß sind die Ziele und Anfangseuphorie, aber möglicherweise auch der (verdeckte) Widerstand in der Belegschaft. Nach mehreren Monaten Bilanz im Changeprozess merkt man: es passiert wenig, oder das Richtige zur falschen Zeit oder umgekehrt. Der Change-Prozess lahmt, verläuft im schlechtesten Falle im Sande oder verursacht momentan noch mehr gefühltes Chaos in der Belegschaft.  Altgediente Mitarbeiter unken: „Das haben wir gleich gewusst und haben deshalb abgewartet“, neue Mitarbeiter sind mitunter frustriert, weil das Versprochene nicht eingetroffen ist. Die Reaktionen darauf sind nicht selten eine höhere Fluktuation oder ein Mehr an  Führungskräftecoachings- und trainings, ein Anpassen der Strategie und Aufgabenschwerpunkte, HR Maßnahmen und weitere Organisationsstrukturveränderungen. Im schlechtesten Fall schlagen lahmende Changeprozesse auf die Bilanz nieder und der nächste Managementwechsel steht an – mit einer neuen Strategie und das Rad beginnt sich von vorn zu drehen....

Ich habe hier bewusst überzeichnet. Denn natürlich sind auch exogene Faktoren für ein Management nicht immer langfristig planbar - und Strategie und Ziele unterliegen einfach volatilen Einflüssen – je nach Branche mehr oder weniger.

Mir geht’s um ein Bewusstsein um den Faktor „verdeckter Widerstand“ und kollektives Bewusstsein in Unternehmenssystemen.

Denn oft sind es die Feigenblätter in der Unternehmenskultur, die blinde Flecken decken - aus Scham, Verschleierung oder symbolischer Deutung von Ereignissen und Themen, die mit der aktuellen Belegschaft möglicherweise nichts mehr zu tun haben, aber als Anker in der Unternehmens-DNA haften. Diese Faktoren sind als Erbe über Generationen in der Unternehmenskultur tradiert - und zwar vorrangig über informelle Beziehungen, Mindset und Softskills - und deshalb so schwer greifbar. Diese Faktoren können erfolgsfördernd, aber auch -hemmend sein.

Sie kennen sicher Phänomene wie:

- wiederkehrende Schleudersitze an gewissen Positionen
- Rituale, die langgedienten Mitarbeitern Routine geworden sind, für Neulinge aber völlig befremdend wirken
- Lücken im Firmenarchiv, über die sich hartnäckig auch noch Jahrzehnte später Mythen ranken
- verklärte Erzählungen über Errungenschaften aus der guten, alten Zeit, die sich mit dem Hier und Jetzt auf Faktenbasis schwer nachvollziehen lassen usw.
- verhaltenes oder zögerliches Agieren bei vermeintlich „normalen“ Aufgaben
- emotionale Debatten über exogene Faktoren, die einfach Realität sind, die schwer abzustellen sind mit Argumenten


Nachdem Mitarbeitende in die Unternehmenskultur eintauchen und dort geprägt werden – aber auch umgekehrt ein Unternehmenskulturerbe an die Nachwelt mitgestalten – finde ich diesen Blick in der erfolgreichen Arbeit an Transformationsprozessen sehr zentral.

Oft liegt in der systemischen Vergangenheit der Schlüssel für Lösungen: das können persönliche Erfahrungen von Einzelnen, aber auch größere, einschneidende Ereignisse in der Historie sein wie der Verlust von einzelnen Mitarbeitern, aber auch von Bereichen, Standorten oder Kerngeschäften, die immer noch kryptisch verschlüsselt in der Unternehmens-DNA liegen und unbewusst über nachfolgende Generationen Führungskräfte und Management hemmen im Denken, Fühlen und Tun.  Wie groß oder klein das Ursprungsereignis ist, sagt oft nichts über die langjährigen, späteren Hemmnisse aus. Tradiert wird in diesem Fall nicht nur über die Bilanz, sondern vor allem über die Soft Skills.
Diese unbewussten Faktoren werden aber oft vergessen in Transformationsprozessen, beeinflussen unbewusst aber auch zukunftsgerichtete Innovationsprozesse über Widerstände, Misserfolg, angstgesteuerte Reaktionen usw.

Wie gelingt nachhaltige Transformation unter Berücksichtigung von unbewussten Faktoren?
Dabei erfordert es oft im ersten Schritt nur den Mut, diese zunächst nicht greifbaren Feigenblätter des Vertuschens oder blinde Flecken des eigenen Unternehmenserbes aufzuspüren. Dieser Schritt kommt meiner Meinung nach vor dem Optimieren und Coachen von Einzelnen im System, damit langfristig ein guter Veränderungsprozess – egal mit welchem Ziel – gelingen kann. Daher lohnt sich zunehmend im Unternehmen auch die Arbeit mit nicht rein Bilanz- und Fakten basierten Methoden, sondern die Kombination mit Methoden, die Kommunikationskultur, Verhaltenskultur und weitere emotionale Faktoren berücksichtigen.

Sind die unbewussten Feigenblätter in der Unternehmens-DNA aufgespürt und als Teil der Lösung im Transformationsprozess identifiziert, so kann die Startrampe für dauerhaft akzeptierte und erfolgreiche Changeprozesse breiter werden.

Quellen

Bildnachweis: privat

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