Die Mär von der psychologischen Sicherheit im Arbeitskontext

von Claudia Stadler

Moderne Führung braucht keine "psychologische Sicherheit", sondern emotionale Empathie mit Gespür für Kontext

chronischer Stress, Resilienztraining, Hypnose, körperorientierte Therapie, Naturcoaching

Soziale Bindung und Verbindung waren seit Millionen von Jahren ein lebenswichtiger Faktor. Jeder wusste, dass es lebensgefährlich ist, alleine in der Wildnis zu jagen und dass gemeinschaftliche Verbände in Höhlen oder am Lagerfeuer ein Abwehrschutz in Krisensituationen sein können. Die zugehörige Arbeitsteilung und die Spezialisierung von "Rollen" sind in verschiedenen Kulturgeschichten auf allen Kontinenten der Erde belegt.

Daher ist es kein Wunder: unser Stammhirn, der entwicklungsgeschichtlich älteste Teil unseres Gehirns, ist mit dieser Erfahrung seit Generationen ausgestattet. Es sitzt direkt am Ende unseres Rückenmarks und bildet eine zentrale Schaltstelle für die Vorbewertung von externen und internen Reizen in unserem Hirn - vor allem auch für die unbewusst wahrgenommenen Ebenen.

Wenn es brenzlig wird, löst dieser Gehirnteil automatisch Mechanismen wie "Flucht, Totstellen, Kampfmodus oder übermäßiges Anpassen" aus, was über autonome Mechanismen abläuft.

Warum "psychologische Sicherheit" am Arbeitsplatz nicht funktionieren kann als Generalkonzept

Aber genau die Bewertung "wenn es brenzlig wird" und Gefahr droht - macht den Anspruch zunichte, "psychologische Wohlfühlzonen und Sicherheit" für alle anzustreben. Weil eben genau die Erfahrung und Bewertung einer bedrohlichen Situation aus dem Stammhirn bei jedem Mensch höchst unterschiedlich läuft.
Denn auf diese oben beschriebene Grundfunktion des Gehirns setzen sich im Laufe eines eigenen Lebens unzählige weitere Erfahrungen drauf - positiv wie negativ. Und diese entwickeln sich höchst individuell zu einem komplexen Bewertungsmaßstab für zunächst neutrale Reize als individuell sicher, unsicher oder nicht relevant für das eigene Wohlbefinden.

Man stelle sich beispielhaft eine Sirene vor: für jemanden, der selbst einst in einer Notsituation war und gerettet werden musste, kann das Signal auch als unbeteiligte Person in einem späteren, ähnlichen Kontext automatisch einen persönlichen Bedrohungszustand auslösen. Das Gehirn meldet Alarm aus Erfahrung.
Ein passionierter Feuerwehrmann hingegen, der in seinem Beruf einen hohen Grad an Sinnerfüllung empfindet, wird dieses Signal vielleicht als Automatismus für hohe Konzentration, routinierte Prozessabläufe und Motivation zum Arbeitseinsatz empfinden.

Und derartige Erfahrungen und Bewertungen hat jeder Mensch zigfach aus seinen verschiedenen Lebens- und Erfahrungsbereichen. Daher ist es eine Utopie, zu verlangen, dass Führungskräfte nach Schema F "psychologische Sicherheit" als Rahmen setzen können als Patentrezept für bessere Arbeitsumgebungen. Bewertung von Sicherheitsempfinden ist immer eine Frage der eigenen Erfahrung, der Möglichkeit zu vertrauen plus dem Check des Kontextes, in dem gerade Interaktionen mit anderen stattfinden.

Führungskräfte haben aus ihrer Vorbild- und Machtpositionen heraus dennoch einen enormen Hebel auf Motivation, Arbeitszufriedenheit und Zugehörigkeitsempfinden

Daher meine Erfahrung:

1. Führungskraft ist grundsätzlich jede/r - denn Führung beginnt mit dem Blick in den Spiegel und der Verantwortung für das eigene Wohlbefinden
2. Orientierung und damit möglicherweise "mehr Sicherheit" in stürmischen Zeiten können nur diejenigen Menschen geben, die selbst innerlich Halt und Orientierung haben, daher sind die Arbeit an der eigenen Stressresilienz und regelmäßige Psychohygiene wichtig. So entsteht eine klare Haltung in eigener Sache und für andere, wenn es darauf ankommt.
3. Unbewusste Faktoren aus dem Unternehmenskontext sind immer auch ein kritischer Erfolgs- oder Engpassfaktor in Transformationsprozessen. Daher kann es vor allem bei stockenden Prozessen ein Durchbruch sein, sich derartiger Einflüsse gezielt auf emotionaler und vor allem unbewusster Kontext-Ebene zu nähern, damit Raum für Gegenwarts- und Zukunftsorientierung entsteht.

Beispiele für unbewusste Kontextfaktoren:

  • Mythen, Fakten und Geschichten aus der Firmenhistorie, die mit Erfolg oder Misserfolgserlebnissen zu tun haben und vielleicht sogar existenzbedrohliches Ausmaß hatten. Diese Erfahrungen werden über unterschiedliche Ebenen weitergegeben und halten sich oft Jahrzehnte als unausgesprochener Erfahrungswert v.a. in Unternehmen mit langer Tradition.
  • Mögliche "hidden agendas" an Schlüsselpositionen, die ihren Ursprung nicht nur an der Person, sondern vielleicht auch an den unausgesprochenen Anspruch an eine Rolle haben - Stichwort: Schleudersitzposition
  • Spezielle Wertegerüste/Verhaltensmuster/Glaubenssätze/ Wordings und Reaktionen von Gründerpersönlichkeiten, selbst wenn diese längst nicht mehr aktiv im Unternehmen sind oder bereits verstorben sind

Treffen derartige, unbewusste Regelwerke aus dem Unternehmenskontext auf die oben beschriebene eigene Blaupause der "Gefahr-"Bewertung jedes einzelnen Mitarbeiters, können ein produktiver, aber auch unproduktiver Arbeitsrahmen entstehen, vielleicht sogar toxische Arbeitsbeziehungen.

Hier können Führungskräfte in ihrer Vorbildfunktion ganz gezielt und individuell ansetzen- mit Verhaltensänderungen, Kommunikationsimpulsen und v.a. einer geschärften Reflexionsfähigkeit für das eigene Befinden und Dynamiken im Team. Ich helfe Ihnen gerne dabei herauszufinden, wie und wo Sie Stellschrauben in Ihrem Kontext sehen können.

Quellen

Bildnachweis: privat

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